Sonntag, 18. Dezember 2011

Der Geist der Berge spricht


Ich saß in meiner Felsengrotte,
da hört' ich eurer Glocken Klang,
und wie ihr hoch zu eurem Gotte
die Herzen höbet im Gesang.
Da ließ es mich nicht länger feiern,
und eilend rafft' ich mein Gewand
und fuhr auf raschen Wolkenschleiern
hinab in euer Menschenland.

Und wie ich ob den Bergen schwebte
und weit das Land gebreitet lag,
war mir's, als ob die Nacht belebte
ein zweiter, wundersamer Tag.
Ein Diadem von Lichtern krönte
der Erde dunkles Angesicht;
von allen Höhn und Tiefen tönte
der Weihnacht seliges Gedicht.

Wie willst du solche Freude teilen -
so dacht' ich - ohne Gab' und Gruß?
Da rührt' im jähen Abwärtseilen
ein schlummernd Wipfelmeer mein Fuß.
Und hurtig beugt' ich mich und pflückte
dies immergrüne Tannenreis,
dass euch sein Würzdult hold entrückte
zum Winterwald in Schnee und Eis.

Dies aber sei mein reichster Segen:
Dies Füllhorn voll der reinsten Luft,
geneigt auf euch zu allen Wegen
samt jener Tanne herbem Duft.
In diesem Zeichen sollt ihr siegen;
denn mächtig redet die Natur
zu jedem zagen Unterliegen
und weiset neuen Lebens Spur.

So lasset denn an eurem Glücke
den stillen Gast ein Weilchen ruhn,
bis dass er wieder muss zurücke
zu seinen tiefen Felsentruhn, -
die ihm vielleicht nun minder taugen,
gedenkt er, Traum und Sehnsucht ganz,
in seiner Bergnacht eurer Augen
und Weihnachtslichter Himmelsglanz. 

Christian Mognestern


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